Ein wohlwollender Gastgeber: Selbstmitgefühl

P1050033Warum sollte ich Freundschaft mit mir selbst schließen? Warum mich selber mögen oder lieben?
Selbstmitgefühl ist ein wesentliches Element im Karuna Training. Warum?

Würde Selbstakzeptanz nicht letztlich dazu führen, dass ich eingelullt in einen selbstverliebten Blick in den Spiegel oder eine narzisstische Nabelschau, Problemen und Herausforderungen ausweiche und ewig gleich auf der Stelle trete?

Carl Rogers hat einmal gesagt: „Das merk­würdige Paradox des Lebens ist: „Erst wenn ich mich akzeptiere, so wie ich bin, kann ich mich ändern.
Die meisten von uns akzeptieren sich selbst nicht so wie sie sind und immer wieder müssen wir feststellen, dass wir dabei sind uns selbst hektisch, voll Scham, Hoffnung und Furcht zur „Selbstverbesserung“ anzutreiben. Dieser Drang, uns selbst in Ordnung zu bringen, so dass wir dann endlich richtig und glücklich sein können, lässt uns wie ein Hamster im Rad nach immer neuen Projekten, Methoden, Menschen etc. greifen.

In seinem klugen und praktisch leicht umsetzbarem Buch „Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl – Wie man sich von destruktiven Gedanken und Gefühlen befreit“ gibt Christoph Germer* seinen Leserinnen und Lesern einen Leitfaden an die Hand, diesen „Selbstverbesserungszwang“ mit einem frischen, mutigen und freundlichen Blick genauer zu betrachten.

„Wir alle sind mit dem Wunsch geboren, glücklich und frei von Leiden zu sein“, sagt Christopher Germer.“ In unserer frühen Kindheit und durch die Kultur, in der wir leben, erhalten wir jedoch immer wieder Botschaften, die uns zu verstehen geben, dass wir nicht gut genug sind. Mit der Zeit lernen wir daher uns selber nicht sonderlich zu mögen. Besonders, wenn in unserem Leben etwas schief läuft – wenn wir leiden, versagen oder uns einer Aufgabe nicht gewachsen fühlen – neigen wir alle dazu, uns selbst zu kritisieren, uns vor Scham zu verkriechen und unsere Wahrnehmung auf unser Ich zu begrenzen. Wenn wir uns selbst mö­gen, sind wir eher in der Lage, ein Problem aus einem breiteren Blickwinkel zu betrachten. Die Forschung zeigt, dass Menschen mit viel Mitgefühl mit sich selbst, weniger maßlos sind. Sie geben eher Fehler zu und arbeiten härter daran, sie nicht zu wiederholen. In den ver­gan­ge­nen acht Jahren haben viele wissenschaftliche Studien gezeigt, dass Selbstmitgefühl eine Schlüsselrolle bei emotionalem Wohlbefinden zukommt. Eines der am häufigsten be­stä­tig­ten For­schungs­er­geb­nis­se ist beispielsweise, dass ein ausgeprägtes Selbstmitgefühl einhergeht mit weniger Angstgefühlen und Depressionen.“

„Selbstmitgefühl besänftigt und tröstet das Gemüt wie ein liebevoller Freund, der bereit ist, sich unsere Problem anzuhören, ohne Ratschläge zu geben, bis wir selbst in der Lage sind, mit ihnen fertig zu werden (…). Die Metapher des wohlwollenden Gastgebers beschreibt wohl am besten diese einzigartige Mischung aus liebender Güte und Achtsamkeit, die Selbstmitgefühl ist.“
 In seinem Gedicht „Das Gasthaus“ drückt das der Dichter Rumi sehr schön aus. Sie finden es weiter unten.

Die Entwicklung von Selbstmitgefühl ist ein Weg – für uns selbst und einer auf dem wir Andere hilfreich begleiten können. Im Karuna Training lernen wir für beides Methoden und grundsätzlich ist das Training so konzipiert, dass es unseren persönlichen Weg mit Wertschätzung und wohlwollender Zugewandtheit prägt.



„Das Gasthaus“

Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus.

Jeden Morgen ein neuer Gast.

Freude, Depression und Niedertracht –

auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit

kommt als unverhoffter Besucher.

Begrüße und bewirte sie alle!

Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist,

die gewaltsam Dein Haus

seiner Möbel entledigt,

selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll.

Vielleicht bereitet er dich vor

auf ganz neue Freuden.

Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit –

begegne ihnen lachend an der Tür

und lade sie zu Dir ein.

Sei dankbar für jeden, der kommt,

denn alle sind zu Deiner Führung

geschickt worden aus einer anderen Welt.

– Rumi



*Das Buch von Christopher Germer „Der achtsame Weg zur Selbstliebe“ ist erschienen im Arbor Verlag.
Christopher Germer ist klinischer Psychologe, der sich auf achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Behandlung spezialisiert hat. Er arbeitet in privater Praxis und als Lehrbeauftragter für Psychologie an der Harvard Medical School. Er ist Gründungsmitglied des Instituts für Meditation und Psychotherapie in den USA – eine Organisation, die sich für das Einbeziehen alter buddhistischer Psychologie in westliche Therapiemethoden einsetzt.