Die Meditation nimmt uns so, wie wir sind, mit unserer Verblendung und unserer Geistesklarheit. Diese vollständige Annahme unserer selbst, wie wir sind, ist eine schlichte, unmittelbare Beziehung zu unserem Sein. Man nennt das Maitri (Sanskrit). Wenn wir meditieren, kultivieren wir vier Eigenschaften von Maitri:
1. Beständigkeit: Wenn wir Meditation üben, stärken wir unsere Fähigkeit, uns selbst in Körper und Geist gegenüber beständig zu sein.
2. Klares Sehen: Klares Sehen ist ein anderer Ausdruck dafür, daß wir uns weniger über uns selbst täuschen. Indem wir die Meditationstechnik über viele Jahre tagein und tagaus üben, werden wir immer ehrlicher mit uns selbst.
3. Unsere emotionale Not erfahren: Wir üben, die Geschichten, die wir uns erzählen, fallenzulassen und uns auf die Gefühle und die Angst einzulassen. Wir bleiben bei dem Gefühl, erfahren es und lassen es so, wie es ist, ohne es aufzubauschen. So schulen wir uns darin, unser ängstliches Herz für die Ruhelosigkeit unserer eigenen Energie zu öffnen. Wir lernen, bei der Erfahrung unserer emotionalen Not zu bleiben.
4. Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment: Wir entscheiden uns dafür, Moment für Moment völlig hier zu sein. Auf den Körper und Geist des gegenwärtigen Augenblicks zu achten, ist eine Weise, zärtlich mit uns selbst, mit anderen und mit der Welt umzugehen. Diese Qualität der Aufmerksamkeit ist ein Aspekt unserer Fähigkeit zu lieben.
Diese vier Faktoren gelten nicht nur für die Meditation, sondern sind auch für alle Bodhichitta*-Übungen und für unseren Umgang mit schwierigen Situationen in unserem täglichen Leben wesentlich. Wenn wir diese Eigenschaften kultivieren, beginnen wir uns zum „Krieger“ zu schulen. Wir entdecken für uns selbst, daß Bodhichitta* das Grundlegende ist und nicht etwa Verblendung.
aus: Pema Chödrön – Die Weisheit der Ausweglosigkeit, Arbor Verlag
Pema Chödrön ist buddhistische Nonne. Sie ist Amerikanerin und leitet das Kloster Gampo Abbey in Nova Scotia, Kanada. Sie war Schülerin von Chögyam Trungpa, einem grossen tibetischen Meditationsmeister, der die Lehren und Weisheiten u.a. über die buddhistische Psychologie in den Westen brachte. Heute ist sie Schülerin von seinem Sohn Sakyong Mipham.
- Bodhichitta – die Entscheidung/das Bestreben zum Wohle aller Wesen, Erleuchtung (klare Wachheit und Mitgefühl) zu erlangen.
- Maitri – bedingungslose Freundlichkeit und Zuwendung / Mitgefühl